Es war einmal, vor langer langer Zeit, in der Großmütter noch Urenkel blieben, als EDV noch geheimnisumwittert war und mit kryptischen Letternkolonnen auf endlosen Papierrollen nebst tiefgrünen Bildschirmen assoziiert wurde. Natürlich mußten die frühen Relikte der noch schlummernden Datenkultur reichlich gefüttert werden, und mehr noch als Bücher verschlangen Magnetbänder und Terminals begierig Buchstabe für Buchstabe und Zahl um Zahl in sich hinein. Solide Kultur ganz im Sinne Gutenbergs war das A und O als zugleich auch die 1 und 0 für den digitalen Fortschritt. Selbstverständlich kam man damals also gar nicht umhin, sich die Tastatur als das einzig denkbare Eingabegerät vorzustellen. Prächtig bestückt mit unzähligen vertrauten und neuen Symbolen auf massiven Tasten bildete sie die Schaltzentrale der über sie regierenden Pioniere der Zukunft.
Nahezu alle gewünschten Eigenschaften der Interaktion sind in der Tastatur vereint: Solide Technik sorgt für unbeirrbare Resistenz gegen Schmutz, selbst ein sich verirrender Kuchenkrümel wird unter den Tastenkappen kurzerhand zu unschädlichen Semmelbröseln zermalmt. Ihre unübertreffbare Präzision garantiert dagegen für schnelle und bis in den Textmodus pixelgenaue Effizienz bei der Eingabe. Der natürlichen Sprache und Schrift folgend fügt sie sich nahtlos zur nächsten Stufe der Kommunikation hinzu - ohne Zweifel das optimale Werkzeug für alle kreativ und produktiv arbeitenden Intelligenzen.
Jedoch stellte sich im Laufe der Zeit heraus, daß das Tastenbrett nicht alle Ansprüche an ein optimales Eingabegerät erfüllen konnte. Infolgedessen fing ein kleiner Emporkömmling an, der Tastatur nach und nach ihr altes Refugium abspenstig zu machen: Die sogenannte Maus eroberte die Schreibtische.
Deren Benutzung erfordert nur noch das Herumschubsen des bollenförmigen Gerätes, so daß die schon aus der frühpostnatalen Spielphase bekannten grobmotorischen Bewegungen zur gekonnten Bedienung ausreichten. Passend dazu wurde die Anzahl der Tasten der durchschnittlichen Hirnentwicklung gemäß auf maximal zwei bis drei sogenannte "Buttons" reduziert.
Heutige Mäuse werden darüberhinaus noch mit einem Scrollrädchen versehen. Wie ein Babyspielzeug erfreut es rasselnd seinen Benutzer, dessen frühgebrechlichen Sehnen durch die viele Mausklickerei schon völlig mürbe sind. Wo früher noch mit einem Arsenal an PgUp, PgDown, Home und End - Tasten, kombiniert mit einer handvoll Tastenkürzel, der eigene Wille gezielt in den Rechner delegiert wurde, finden sich heute nur noch armselig herumkurbelnde und dadaistisch linksklickende Existenzen, orientierungslose Opfer der ach so modernen Zeit.
Für diese ist die Maus auch mehr als ausreichend. Um im au-weh-o-WWW herumzuklicken, bunte Instantgrußkarten zu verschicken oder die Vivadegeneration mit Flashgezappel zu befriedigen sind ohnehin nur minimale Fähigkeiten vonnöten.
Von der musischen Seite ist die Maus ebenfalls ein totales Desaster. Musik ohne den Verwandten der Tastatur, der Klaviatur oder dem Keyboard, ist kaum denkbar. Selbst eine normale Tastatur läßt sich noch musikalisch verwenden (wie viele Trackerbenutzer wissen), während der plastifizierte Nager bestenfalls noch zum Zusammenflicken vorgefertigter Geräuschbausteine im Müslimaker taugt.
Am schlimmsten sieht es im grafischen Bereich aus. Ein typisches Mausbild verrät sich sofort anhand der ungelenken Linien, flächig ausgefüllt mit nur wenigen Farben inmitten eines plumpen und eckigen Gekrakels. Kein Wunder daß sich demnach die meisten Computergrafiker auf die vorgefertigten Effekte verlassen und ihre eigene Kreativität durch Photoshop-Plugins simulieren.
Kein echter Maler würde seinen Pinsel, kein Zeichner seinen Stift gegen eine Maus ersetzen. Bestenfalls ein Bildhauer hätte künslerische Verwendung dafür - indem er sie unter Hammer und Meißel nimmt.
Auch altgediegene Computerspieler sehen die Entwicklung mit Grausen: Wo früher wackere Recken mit gestähltem Joysickknüppel voran ihre Helden durch Arcadewelten hüpfen ließen finden sich heute nur noch im Sessel herumtranende C&C-Klicker. Wo charismatischen Textadventures noch mittels Poesie wie z.B. "benutze Gurkeneintopf mit Schlüssel" durchwandert wurden dominiert heute nur noch die Monotonie des Mauszeigers.
Vermutlich ist der einzige heute noch per vernünftiger Technik gesteuerte Ort das Flugzeug, aber dessen sollte man sich nicht zu sicher sein - sobald der Sitznachbar Laptop und Funkmaus auspackt wäre es besser gewesen, man hätte der Stewardess bei der Erklärung von Fallschirm und Schwimmweste doch zugehört.
Der engültige Niedergang vollzieht sich jedoch in der Maus selbst: Die nette flummige Gummikugel, das letzte sympathische Element dieses Desktopschädlings, fiel einer kalten LED samt popeligen Sensor zum Opfer.
Damit verbleibt für verantwortungsbewußte Menschen nur noch eine einzige vertretbare Haltung gegenüber der Maus:
HINFORT DAMIT!!!