In unserem Lande gibt es etwas, das in keinem Büro fehlen darf. Nein, es geht nicht um Telefon, Fax, PC oder sonstige Plasteblechgerümpel, sondern um die völlig unscheinbare als auch ebenso unvermeidbare Topfpflanze. Die Anwesenheit dieses biologisch abbaubaren Zimmerschmucks ist nämlich unverzichtbar für ein behagliches Raumklima. Gebildetere Leser wissen natürlich, daß sich dabei nach den Feng-Shui-Prinzipien ein positives Karma bildet, welches die negativen Energien in Yin und Yang neutralisiert.
Doch wo bekommt man einen solch grünen Glücksbringer her? Schließlich zählt ein durchschnittliches Zweipersonenbüro neben den Eiswüsten der Arktis und der staubigen Öde der Salzwüsten zu den feindlichsten Lebensräumen der Erde. Praktischerweise findet sich Abhilfe gleich im Discounter um die Ecke. Naturverbundene Alibipflanzen wie den Ficus Benjamini zu EUR -,99 im Dreierpack bilden somit den Grundstock der Bemühungen um einen humaneren Arbeitsplatz.
Ästhetisch ansprechend und mit dem Aquarium-Bildschirmschoner harmonierend trohnt die Neuanschaffung sodann auf dem Schreibtisch. Nicht zu verachten ist die sich prompt einstellende Luftverbesserung: Eine mickrige Pflanze filtert sämtliche Rauchpartikel, allergene Deoduftstoffe und aggressiven Stresschweiß aus der Biosphäre - nur bei der gefürchteten betriebsinternen "dicken Luft" muß sie passen. Es ist schon erstaunlich, wie eine kleine Grünlilie allein den Mief ungeöffneter Fenster herausfiltert während der so kultivierte Aspergillus trotz seiner Ausmaße dazu nicht in der Lage war.
Auch der psychischen Gesundheit sind die wehrlosen Zimmergefährten dienlich, wie sich anhand so manch zerfetzten Blattes erkennen läßt. Andere Mitmenschen sind für die humosen Aschenbecher dankbar, dabei gleichzeitig für einen konstanten Nachschub an mineralischen Nährstoffen sorgend.
Leider sieht es nicht mit allem Notwendigen so gut aus. So verdorrt reihum Blume um Gewächs wohlgenährt und ungegossen. Einzig die Kakteen sind hier im Vorteil, wären sie nicht verfault und von dem einzig Blühenden, dem Schimmel, umringt.
Entsprechend beliebt sind deshalb Kunstpflanzen, die in Form einer Pflanze täuschend echt Plastik und Kunstseide immitieren. Nachteilig im Vergleich zu ihren biologischen Geschwistern sind allerdings die sich darauf ansammelnden Staubschichten, da Kunstblumen diese nicht samt den darunter erstickten Blättern entmutigt abwerfen können.
Nicht nur in der Arbeitswelt, auch im Eigenheim sind die Topfbewohner zuhause. Schließlich gehört es zum guten Ton, den zum Blumengießen im Urlaub zwangseingespannten Nachbarn zu zeigen, daß man nicht zu den Assozialen des Großstadtdschungels gehört. Und so bietet der Fensterbankgarten auch Haustieren wohltuende Ergänzungsnahrung. Wenn allerdings Hündchen Fifi nach unverhofft giftigem Genuß auf dem Boden röchelt war es wohl doch eher für die Katz...
Selbst die alternative Gegenbewegung setzt auf die Kraft des Eingetöpften. Sanfte Krautdünste statt böser HighTech-Chemie umnebeln den selbstversorgenden Heimanbauer nach seliger Ernte. Ermöglicht wird das dank eines hochgerüsteten Heimsolariums, betrieben mit gelbem Strom.
Mehr als mit dem Obulus für das eigentliche Grünzeug wird mit dem notwendigen Zubehör eine goldene Nase verdient. Neben schmucken Terrakotta-Übertöpfen gehört vor allem ein großes Sortiment an Dünger zum Angebot eines jeden Pflanzencenters. Wie diese ihre Kunden einschätzen erkennt man schon daran, daß sich damit anders als mit richtigem Dünger kein Sprengstoff mehr herstellen läßt. Stattdessen besteht der kostbare Inhalt aus Vogelkot, der von entlegenen Pazifikeiländern gekratzt wurde, obwohl er genausogut von den Tauben draußen geholt hätte werden können.