Einige Gedanken rund um Werte, Informationen, Luxus und Daten

Marktfrauen und Manager, Pädagogen und Philosophen, Stammtischbrüder und Senioren: Alle reden gerne über Werte und verstehen dennoch völlig verschiedene Dinge darunter. Heutzutage kann man im wesentlichen zwischen zwei Arten von Werten unterscheiden: Es gibt reelle Werte wie Geld und Besitz, die sich auf viele Kommastellen exakt angeben lassen und weltweit dieselbe Bedeutung haben. Und es gibt ideelle Werte wie Ehrlichkeit, Fleiß und Zuverlässigkeit, die je nach Kultur und eigener Einschätzung völlig unterschiedlich beurteilt werden.

Meist wird nicht über Werte selbst, sondern über deren Verfall diskutiert. Interessanterweise immer im Zusammenhang mit ideellen Werten, obwohl diese sich jeder genauen Beschreibung entziehen und demnach nicht verfallen können. Sie werden zwar mal als mehr, mal als weniger wichtig empfunden, aber die Werte selber bleiben dabei stets unverändert.

Ganz im Gegensatz dazu sind reelle Werte schon ein Widerspruch in sich: Der Nutzen reeller Werte ist flüchtig. Natürliche, gesellschaftliche und politische Ereignisse können auf einen Schlag enorme Besitztümer in Nichts verwandeln.

Besonders ironisch ist die Tatsache, daß Besitz und Besitzstreben als Hauptursache des Verfalls ideeller Werte angesehen werden - und das obwohl Geld und Macht erst in einer Gesellschaft entstehen können, die durch ideelle Werte gefestigt wird.

In der Frühzeit, als noch der Jäger und Sammler durch die Landschaft streifte, war es einfacher. Wertvoll war alles, was das Überleben ermöglichte: Kraft und Geschick. Nach und nach entwickelte sich ein weiterer Überlebensvorteil: Erfahrungen wurden über Generationen weitergegeben und entwickelten sich zum Wissen, zu Informationen, die keinen sofortigen Nutzen mehr hatten, aber dafür umso länger und nachhaltiger wirkten.

Wissen konnte erst dadurch entstehen, daß ein kleiner Teil der zum Überleben notwendigen Zeit für vorerst nutzlose Zwecke, dem der Informationsweitergabe, verwendet wurde. Dadurch wurde ein sich selbst steigernder Prozess in Gang gesetzt: Durch Wissen ließen sich alltägliche Tätigkeiten schneller erledigen, so daß mehr Zeit übrig blieb, in der neues Wissen angesammelt werden konnte.

Die beiden daran beteiligten Elemente - Information und Zeit - können gegensätzlicher nicht sein: Während Information beliebig erzeugt, weitergegeben und vervielfältigt werden kann, entzieht sich die Zeit jeglicher Kontrolle. Sie steht jedem Menschen nur in begrenztem Umfang zur Verfügung, sie läßt sich weder weitergeben noch auf Vorrat speichern.

Nach und nach übernehmen nun Wissen und Zeit die Rolle der altbekannten Werte in der Geschichte. Ein wesentlicher Schritt dabei war die Erfindung des Buchdrucks. Damit konnte Wissen schneller und umfangreicher an die Massen verteilt werden, der erste Schritt zu den heutigen Massenmedien wurde getan. Ebenso stieg die Zahl derer, die Informationen herausgaben.

Im Laufe der Zeit wuchs die Menge an Informationen und Wissen so stark, daß sie nicht mehr überschaubar war. Es wurde nötig, sie auf einer abstrakteren Ebene zu betrachten, um sie effizienter handhaben zu können. Aus zuerst mündlich überliefertem Wissen wurden Schriften, aus Buchstaben Bits. Informationen wurden zu Daten, die unabhängig von ihrer Bedeutung ausgetauscht, gespeichert und vermittelt werden konnten.

War es früher mühsam, an Informationen überhaupt heranzukommen, so ist es heute mindestens genauso schwierig, aus der Flut an Nachrichten, Veröffentlichungen und Wissen die wichtigsten Bestandteile herauszufiltern. Der dabei benötigte Zeitaufwand frißt wieder einen großen Teil der Zeit, der durch Wissen erst verfügbar wurde.

Luxus ist nun alles, was erst mit hohem Aufwand machbar ist, aber nicht lebensnotwendig ist. In diesem Sinne ist Luxus der ungleiche Bruder des Wissens, beide eine Frucht der durch Wissen entstandenen freien Zeit.

Was Luxus wohl für einen Bauern darstellt, der einen Schritt von den Jägern und Sammlern entfernt seinen ersten Acker anlegt? Auf den Steinen, die er dabei zur Seite räumt, wurden die ersten Schriften dauerhaft hinterlassen. Schriften, die nach langer Zeit bewirkten, daß dieselben Steine in reines Silizium verwandelt wurden, welches mit in Jahrtausenden gesammeltem Wissen versehen dafür sorgt, daß dieser Text entstehen konnte.

Luxus pur, für einige vergnügliche Stunden. Entstanden durch unzählige lange Nächte der Autoren und der unermeßlichen Arbeit unzähliger Anderer.

Viel Spaß beim Lesen.

Mail an den Autor: webmeister@deinmeister.de

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